Warum ist Barfen so umstritten?

Ja, Sie lesen richtig, das Barfen ist sehr umstritten, obwohl man es eigentlich kaum glauben mag. Aber leider ist es en Fakt, der nicht weg zu diskutieren ist. Eigentlich hört es sich an wie ein schlechter Witz und Sie werden sich fragen, wieso denn die Biologisch Artgerechte RohFütterung, also genau das, was die Natur vorgibt, umstritten sein kann.

Aber es ist so – leider!

In Sachen Tierernährung haben sich sozusagen zwei Lager gebildet, die Barf-Befürworter und die Barf-Gegner.

Zu den Barf-Gegnern gehören fast immer solche Tier-„Freunde“, die entweder mit dem industriellen Futter oder mit dessen gesundheitlichen Folgen bei unseren Haustieren Geld verdienen. Das ist auch irgendwo verständlich, geht es denen doch sehr ans Eingemachte, und sie werden alle Geschütze auffahren um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Unverständlicher ist dann schon, dass sich auch solche Menschen auf deren Seite stellen, die dieses Problem eigentlich nicht haben. Und an allen möglichen Stellen des gesellschaftlichen Lebens werden sich wahre Diskussions-Gefechte mit den Barfern geliefert.

Ein besonderer Tummelplatz für Barf-Krieg-Führer ist das Internet, eben jenes Medium, in dem Sie sich gerade aufhalten. Führend bei den Barf-Kriegs-Schauplätzen sind vor allem die Internet-Foren. Ich selbst habe im Bereich der Aquaristik in den letzten 7 Jahren einige Foren mit aufgebaut, einige untergehen sehen und habe auch in vielen Foren jahrelang beraten, denn ich bin seit nunmehr 31 Jahren Aquarianer und viele Jahre davon Züchter von Zierfischen und anderen Aquarientieren. Als ich dann mein „Geschäfts“-Feld erweiterte und mich auch mit Hunden beschäftigte, musste ich schmerzhaft feststellen, dass es in den Hunde-Foren nicht anders zugeht als in den aquaristischen und man hier dieselben Foren-Krankheiten pflegt. 

Foren sind eine gute Sache für den Gedankenaustausch und die virtuelle Begegnung, aus der auch schon so manche reale Begegnung und auch schon viele Freundschaften entstanden sind. Zum umfangreichen Wissenserwerb jedoch sind die Foren nicht geeignet. Man kann mit Fug und Recht davon ausgehen, dass ca. 80 % der in Foren geschriebenen „Wahrheiten“ alles andere als solche sind. Aber wie überall im Leben fängt auch hier „der Fisch am Kopf an zu stinken“ und die Qualität eines Forums steht und fällt mit dem Betreiber=Administrator. Ist der Betreiber nicht auf fachliche Qualität bedacht, geht es ihm viel mehr darum, möglichst viele User zu ködern um möglichst viel mit Werbung zu verdienen, dann kann man da Forum inhaltlich getrost in die nächste Tonne werfen. Auch die Größe eines Forums spielt eine Rolle. Grundsätzlich gilt: die fachliche Qualität verhält sich umgekehrt proportional zur Zahl der angemeldeten Mitglieder. Je weniger Überblick der Betreiber und das Moderatoren-Team haben, umso mehr geistige Gülle dümpelt im Forum rum. Achten Sie also bitte das nächste Mal darauf, wenn sie sich in einem Forum anmelden!

Ein weiteres Problem im Forum sind User, die gerade vor 4 Wochen gelernt haben, das Wort „Hund“ zu schreiben, und nun schon beraten wie ein Großer. Wer ein wenig der deutschen Sprache mächtig ist, kann dieses Anfänger-Latein dann auch so verpacken, dass es sich wie fachlich korrekte Fakten anhört. Für den wirklichen lernbegierigen Haustier-Einsteiger ist das kaum zu bemerken und er merkt es erst, wenn er den ersten Tausender an seinen Tierarzt überweist.

Das Hauptproblem bei diesem Kleinkrieg sind aber, paradoxerweise, die Barfer selbst. Sie liefern den Barf-Gegnern die Totschlagsargumente frei Haus.

Seine Ursache hat das darin, dass sich im Lager der Barfer verschiedene Unterlager gebildet haben, die alle irgendwie unterschiedlich barfen. Das klingt irgendwie wie ein schlechter Witz, ist aber so.

Ich erspare es mir hier, alle verschiedenen Barfer aufzuzählen, das wurde an anderen Stellen im WWW bereits getan. Ich will nur soviel sagen, dass es solche Barf-Strömungen gibt, die alles nur halb machen, vergleichbar mit dem Unterschied zwischen Vegetariern und Veganern etc., bei denen der eine nur pflanzlich isst, der andere Eier essen darf aber keinen Käse, der nächste dann wieder Käse aber keine Eier, manche dürfen Geflügel, aber kein anderes Fleisch und, und ,und. Und es gibt solche Barfer, die das ganze zur Wissenschaft hochstilisieren, die Barf- und Ernährungspläne erstellen, dutzende von Barf-Rezepten im Internet veröffentlichen, genau heraus fieseln wollen, wie viel Milligramm Fleisch denn nun pro Gramm Körpergewicht des Hundes stündlich gegeben werden müssen, natürlich unter genauer Berücksichtigung der Tagesform des Tieres, und wieder und, und, und.

Die „Halb-Barfer“, so will ich sie mal nennen, produzieren tatsächlich gesundheitliche Probleme bei ihren Tieren, die dann den Tierärzten und anderen Gegnern federleicht in die Hände spielen, weil sich durch die Halbherzigkeit Mangelerscheinungen einstellen. Wer nur Muskelfleisch füttert, weil er mal vom Barfen gehört hat, aber den „ekligen“ Pansen nicht in seinem Haus haben will, wer es nicht ertragen kann, dass sein Hund auch mal ein Futter-Tier komplett mit Skelett und Fell verspeist, wer zu faul ist, täglich für 10 Minuten einen Pflanzenbrei im Pürierer herzustellen, der braucht sich nicht zu wundern, wenn es Probleme gibt. Und wenn solche Leute dann auch noch über ihre negativen Erfahrungen mit dem Barfen im Internet berichten, ohne dazu zu schreiben, welchen Unsinn sie tatsächlich verzapft haben, dann reiben sich manche Leute die Hände.

Die anderen, die „Wissenschaftler“, verleiden einfach dem normalen und mitdenkenden Barfer das Rohfüttern, denn wer will schon täglich in der Küche komplizierte Berechnungen anstellen? Dabei ist das genau derselbe Unfug, nur vom anderen Ufer. Warum? Ganz einfach. Wenn Sie sich Ihr Essen bereiten, berechnen Sie dann Ihren täglichen Bedarf und stimmen Ihr Mahl grammgenau darauf ab. Ich mache das nicht, sondern ich ernähre mich mit allem, was das Herz begehrt, ausgewogen und natürlich, und ich bin heute mit 42 Jahren gesünder als mit 20. Und ein Taschenrechner und Nährwerttabellen haben in meiner Küche nichts verloren. Und im Übrigen habe ich auch noch kein Wildtier gesehen, das mit Buch und Taschenrechner unter einem Baum saß und das sich die Nährwertzusammenstellung seiner nächsten Beute ausgerechnet hat. Und seltsamerweise haben die wilden Tierarten Jahrhunderttausende überdauert, ohne Allergien, Depressionen, Verhaltensstörungen etc.

Und wer ist unter’m Strich der Leidtragende bei all dem Kleinkrieg? Sicherlich nicht die Futterindustrie und auch nicht die Tierärzte. Auch nicht wirklich die Barf-Krieger, denn die merken ja bei all dem Kampfgetümmel ohnehin nichts mehr, und schon gar nicht, wer der wirklich Leidtragende ist. Unter’m Strich leidet nur wieder der Hund (oder eben das andere entsprechende Haustier). Er muss sich über die Jahre hin mit den Wehwehchen rumquälen, die er bekommt, weil sich keiner einigen kann, weil der Kleinkrieg fast schon zum Selbstzweck und zur Religion mutiert. Ich habe erst neulich von einer Hundehalterin erfahren, die eine über 9 (!) Jahre andauernde Odyssee von Tierarzt zu Tierarzt hinter sich hat, weil niemand die Probleme ihres Hundes (Erbrechen, Durchfall, Haut- und Fellprobleme, Juckreiz, aufgekratzte Stellen etc.) lösen konnte. Erst das konsequente Umstellen auf naturgemäßes Barfen beendete den Leidensweg von Hundchen und Frauchen. Können Sie sich die Freudentränen von Frauchen vorstellen, als es ihrem Schatz endlich besser ging?

Aber nicht jeder Hund hat das Glück, irgendwann den „Richtigen“ zu treffen. So leiden und leiden und leiden die armen Kreaturen über Jahre, bis wir dann in unserer grenzenlosen Güte das Tier von den Leiden erlösen, die es ohne uns und die Futterindustrie nicht hätte. Wir sind so gütig und fühlen uns dabei wohl, wenn wir den armen Leidgeprüften „einschläfern“ lassen. EINSCHLÄFERN! Welch ein wirklich gut verniedlichendes Wort, so wohlklingend und friedlich, für etwas, das ich als Mord bezeichne, als Verbrechen am Leben und an der Schöpfung. Aber wir tun es, immer wieder, jährlich viele Millionen Mal, mit der Todesspritze oder mit Gas wie in den USA, aus den genannten oder aus anderen Gründen, und wir fühlen uns nicht mal schlecht dabei. Wir führen unberührt unseren Kleinkrieg weiter, in Foren und bei allerlei anderen Gelegenheiten, Hauptsache, wir haben Recht mit unseren festgefahrenen Meinungen und Rezeptchen und all dem Kompetenz-Getue.

Dabei ist Barfen ist ganz einfach. Man gebe seinem Tier alles, was es in der Natur auch zu sich nimmt, egal ob eklig oder nicht. Nicht alles muss täglich verfügbar sein, denn das ist es in der Natur auch nicht, lediglich über einen Zeitraum von einem bis zwei Monaten hin sollte der Durchschnitt einigermaßen stimmen. Die Physiologie unserer Hunde, die immer noch der des Wolfs entspricht, ist darauf eingestellt.

Lassen Sie sich keine Angst machen, benutzen Sie ihr Herz und Ihren gesunden Menschenverstand!

Ich benötige für die Zusammenstellung der 2 Mahlzeiten meines Hundes täglich etwa 10 Minuten, inklusive dem Abpflücken von Kräutern in meinem Garten. Und die 45 – 60 Minuten, die mein Hund braucht, um auf der Wiese liegend ein komplettes Zwergkaninchen zu verspeisen, verschaffen ihm einen Mords-Spaß und einen Haufen Beschäftigung und mir die Zeit für andere Dinge, z. B. dafür, solche Texte wie diesen zu verfassen.

Barfen Sie – vernünftig – Ihr Hund wird es Ihnen danken! Und lassen Sie sich vor allem nicht in diesen Kleinkrieg hinein ziehen!

Henry Wollentin

 
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