Durchfall … aber ist es wirklich einer?

Eine (nicht ganz wissenschaftliche) Betrachtung eines alltäglichen Ereignisses.

„Hilfe, mein Hund hat Durchfall!“ – der wohl häufigste Schreckensruf des modernen Hundebesitzers. Wann immer er ertönt, wird er begleitet von Panikatacken und hektischer Betriebsamkeit. Diese reicht von der Verabreichung von Hausmittelchen bis hin zum Besuch beim Tierarzt. Ziel ist es in jedem Fall, die Konsistenz des Kotes wieder zu normalisieren, um eine Dehydration (Entwässerung) des Hundes zu vermeiden.

Ist diese Panik gerechtfertigt oder unterliegen viele Hundehalter hier wieder mal einem alt eingesessenen Irrglauben? Zunächst muss erst einmal geklärt werden, was ist Durchfall überhaupt und was passiert beim Durchfall.

Zu diesem Zweck erlauben Sie mir einen kurzen Ausflug in den Bereich der Humanmedizin. Wann spricht man hier von Durchfall und wie wird reagiert? Als Grundregel heißt es beim Menschen: „Dreimal am Tag bis einmal in drei Tagen ist normal.“ Wie wird aber vorgegangen, wenn es doch mal häufiger ist? Wird auch sofort medizinisch interveniert? Nein. Es wird zuerst einmal genau erfasst, wo die Ursache liegt.

Im Falle von Viruserkrankungen wird nämlich auf Medikamente verzichtet, um eine Selbstreinigung des Darms mit kompletter Ausscheidung der Erreger zu gewährleisten. Das gleiche gilt, wenn vermutet wird, dass zum Beispiel verdorbene Lebensmittel die Ursache sind. In beiden Fällen lässt man der Natur freien Lauf. Nur wenn nicht genügend Flüssigkeit zu sich genommen wird, erfolgt eine medizinische Intervention. Ja schon, werden Sie jetzt sagen, aber wir sprechen hier doch immer noch vom Hund!

Nun, es gibt hier mehr Parallelen  als Ihnen vielleicht bewusst ist. Zuerst einmal muss geklärt werden, wann man beim Hund überhaupt von Durchfall spricht. Durchfall liegt nur dann vor, wenn die Ausscheidung in flüssiger Form vorliegt, also keinerlei feste Bestandteile mehr enthält. Alles andere ist breiiger Stuhl in wechselnder Konsistenz. Wie kommt es aber nun zu dieser Reaktion des Körpers und handelt es sich tatsächlich immer um einen krankheitsbedingten Zustand?

Um diese Frage zu beantworten, müssen wir uns nun eingehender mit dem Verdauungstrakt des Hundes beschäftigen. Genau wie beim Menschen ist der Darm von Millionen Bakterien besiedelt. Im Unterschied zum Menschen scheidet der Hund seine Darmflora jedoch mit aus und es gibt keine feste Besiedelung. Daher muss sichergestellt werden, dass regelmäßig Bakteriennachschub vorhanden ist. Ist dies nicht der Fall, ist die Schutzflora des Darmes gestört und es kommt zu Unregelmäßigkeiten im Stuhlgang. Diese variieren dann von breiigen Stuhlgang bis eben benannten Durchfall. In diesem Fall helfen dann auch keine Medikamente, sie beseitigen lediglich die Symptome, nicht jedoch die Ursache. Häufig wird dann von einer Futtermittelunverträglichkeit gesprochen. Diese ließe sich jedoch beseitigen, wenn man auf einen regelmäßigen Nachschub von Darmbakterien und Enzymen achtet. Hierfür gibt es 2 Möglichkeiten: frischer grüner Pansen (wirklich frisch nicht zwischenzeitlich gefrostet) oder die regelmäßige Gabe von Darm-Regulanz der Firma ProCaLu. Damit lässt sich diese Ursache für Durchfall sicher beseitigen.

Durchfall oder breiiger Stuhl kann auch als Reaktion auf etwas auftreten, dass vom Hund gefressen  und vom Körper als gefährlich oder unverträglich erkannt wurde. In diesem Fall versucht der Organismus des Hundes den entsprechenden Stoff so schnell wie möglich wieder los zu werden. Es folgt Durchfall. Würde man aber in diesem Fall ein stopfendes Medikament verabreichen, wäre das kontraproduktiv, da die Selbstreinigungsfunktion des Organismus außer Kraft gesetzt würde. Statt dem Hund zu helfen schadet man ihm nur. Besser wäre es sicherzustellen, dass der Hund genügend trinkt und ihn den Durchfall durchstehen zu lassen. Erst wenn nach 2-3 Tagen sich die Konsistenz nicht normalisiert hat, sollte man sich Hilfe suchen. Wichtig ist, das kann ich nicht oft genug betonen, darauf zu achten, dass der Hund genügend trinkt. Gerne darf hier nachgeholfen (zwangsweise Flüssigkeitsverabreichung) werden, oder auch eine Elektrolytlösung (schwarzer Tee, mit etwas Zucker und Salz)  angeboten werden.

Gleiches gilt auch für den Fall einer Virusinfektion. Auch hier sollte man es dem Organismus erlauben, sich von dem schädigenden Einfluss zu befreien. Der Durchfall ermöglicht es, die Erreger schnellstmöglich zu eliminieren. Wie schon oben beschrieben, muss auch ein Mensch in diesem Fall den Durchfall durchstehen. Wichtig ist wieder mal nur die ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit.

Eine andere Parallele zum Menschen findet sich beim nervositäts- bzw. stressbedingten Durchfall. Menschen kennen ihn zum Beispiel bei Prüfungsangst. Hunde verfügen über die gleichen Regulationssysteme wie der Mensch. Geraten wir oder der Hund in eine Gefahr verheißende Situation, kommt es im Körper zu einer Stressreaktion. Diese Stressreaktion bereitet den Körper auf die nun folgende Flucht oder auch den folgenden Kampf vor, indem er z. B. Adrenalin ausschüttet, den Blutdruck erhöht, den Herzschlag beschleunigt, die Atemfrequenz erhöht, um mehr Sauerstoff zur Verfügung zu haben, Muskelspannung aufbaut und – und nun kommt‘s – den Körper von Ballast befreit, der sich im Darm befindet. Dies erfolgt mittels Durchfall. Der Durchfall Ihres Hundes kann also einfach nur eine Stressreaktion sein.

Wenn ihr Hund also häufig an Durchfall leidet und alle vorher genannten Möglichkeiten ausgeschlossen sind, dann sind Sie gut beraten, das Lebensumfeld Ihres Hundes zu überprüfen. Möglicherweise leidet Ihr Hund ja unbemerkt unter Dauerstress. Solch ein Dauerstress kann verschiedene Ursachen haben:

  • Ihr Hund bekommt zu wenig Zuwendung, weil Sie zu viel arbeiten.
  • Ihr Hund kann seinen Bewegungsdrang nicht ausleben, weil Sie mit ihm in einer ungünstigen Umgebung leben.
  • Ihr Hund ist einem für uns unhörbaren Dauerlärm ausgesetzt.
  • Ihr Hund wird durch übertriebene Gehorsamspflicht oder übertriebener Erziehungs- und Ausbildungswut gestresst.
  • Sie und Ihr Hund haben ein Kommunikationsproblem.
  • u. v. m.

Sehr häufig ist es auch, dass der Hund keine ausreichende Führung hat und für ihn daher jede Begegnung mit anderen Hunden oder auch nur einfaches Gassigehen ein ständiger Stress ist. In so einem Fall hilft nur eine Hundeschule, aber nicht die Pillen vom Tierarzt. Als Fazit bleibt also zu sagen:

Erst, wenn es sich um echten Durchfall handelt, der noch dazu mehr als 2 Tage anhält und mit weiteren Krankheitssymptomen einher geht, z. B. Fressunlust etc., dann liegt wirklich eine Erkrankung vor. Und bevor Sie Ihren Hund mit Medikamenten malträtieren, checken Sie ab, ob nicht vielleicht doch eine der o. g. Ursachen für den nicht ganz normgerechten Kot zuständig ist.

Werden Sie ruhiger und sehen Sie nicht jede Stuhlveränderung als Alarmsignal. Ihr Hund wird es Ihnen danken.

Anita Schwenk (Ärztin)

(Nach einem Entwurf von Henry Wollentin)

 
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